von Dr. Wilhelm R. Schmidt
Fritz aus dem Wieschen, Jahrzehnte lang Schriftleiter des Lenneper Kreisblatts mit dem bürgerlichen Namen Richard Thielmann, wollte einmal erfahren, welche Gedanken einen kleinen Jungen im Herbst bewegen. So bat er Nachbars Jüppchen, darüber einen kurzen Aufsatz zu schreiben. Als Honorar bekam das Jüppchen zwei Knabberstangen und ein Schneckenhäuschen. Hier also ein wenig bearbeitet seine mehr oder weniger schweißtreibend erzeugte Abhandlung aus den 1920er Jahren:
"Der Herbst ist eine Jahreszeit. Wir haben vier Jahreszeiten. Der Herbst ist immer die dritte. Im Herbst beginnt es zu regnen, während es im Winter nur schneit. Im Herbst fallen die Blätter zur Erde, damit man sie leichter zusammenkehren kann. Im Herbst fällt auch die Sonne nicht mehr so steil auf uns, damit sie nicht mehr so sehr sticht. Wenn man dann keinen Sonnenstich mehr kriegen kann, dann ist der Sommer hin. Gegen den Regen schützt man sich am einfachsten durch einen Gummimantel oder durch Hineintreten in das Wartehäuschen am Bismarckplatz. Ein Regenschirm kann vom Wind bös umgedreht werden. Auf den Bäumen am Thüringsberg wächst kein Obst, weil es da nur gestohlen würde. Ein Pfund Obst kostet gewöhnlich siebzig Fenning. Im Herbst kommen viele Wagen mit Obst und einer großen Schelle an. Die Männer schreien dann immer süße Fläumchen Sie kommen auch mit Fisch, dann rufen sie: Frischee Fischee, die sind dann noch blutrot hinterm Öhrchen. Im Herbst stielt man auch Verbandszeug, damit man sich verbinden kann, wenn man nach dem Äppelklauen Schläge bekommen hast. Im Herbst geht vieles zu Ende. Wenn der Herbst ganz zu Ende ist, fängt der Winter an, das ist die allerletzte Jahreszeit. Nach ihm kommt der Frühling, und dann fängt die ganze Sache wieder von vorne an. Der Frühling heißt auch Lenz, weshalb meine Tante nächstes Jahr 61 Lenze zählt. Im Herbst ist auch immer landwirtschaftliche Ausstellung, da geht der Vater immer mit uns hin. Diesmal in Ronsdorf, weil da Kränze über der Straße hängen und die Fahnen heraus sind. Ich habe dann immer viel Spaß, wenn ich die Ferken in den Schwanz knipsch, die quitschen dann so schön. Hoffentlich bist du mit meinen Herbstgedanken zufrieden, es grüßt dich - Dein Jupp."
Fritz aus dem Wieschen schrieb dazu: Wie man sieht, hat sich Jüppchen sehr angestrengt. Manches ist für Jung und Alt daraus zu lernen. Das Meinige habe ich mir schon daraus zu Herzen genommen.
Inzwischen sind ca. 100 Jahre vergangen. Das erwähnte Haltestellenhäuschen am Bismarckplatz gibt es so nicht mehr, am Thüringsberg gibt es immer noch kein Obst zu klauen, regionale Landwirtschaftschauen sind Geschichte, Gummimäntel z.B. aus dem Hause Klepper werden heute als uncool empfunden, und frische Fische auf dem Lenneper Markt ...? Na ja, so ändern sich halt die Zeiten.