von Dr. Wilhelm R. Schmidt
Liebe Freunde des Bergischen Landes, liebe Lenneper,
heute sehen wir wie Aufnahmen vom Mollplatz, die am Ende des Ersten Weltkrieges bzw. am Anfang der 1920er Jahre gemacht wurden, als der Platz noch Kaiserplatz hieß. Bildautor war der Lenneper Fritz Lüns, dessen Familie über viele Jahrzehnte oben auf der Knusthöhe wohnte. Das große vor 1830 entstandene Haus im Hintergrund, das im ersten Stockwerk 1848/49 auch Versammlungsort einer bürgerlich revolutionären Lenneper Parlamentsgesellschaft war, stand bis 1970 gegenüber des Berliner Hofs und gehörte nacheinander mehreren Tuchfabrikanten und Lenneper Geschäftsleuten, bevor es 1910 vom Baumeister Arthur Schmidt (1867-1945) für seine immer größer werdende Familie angekauft wurde.
In Parterre sehen wir die großen Schaufensterscheiben des Geschäfts der Gebrüder Bauerband, die in Remscheid, Lennep und Opladen jeweils eine Handlung für Öfen und Herde betrieben, die man auf dem Foto bei näherer Betrachtung auch gut erkennen kann. Das führende Lenneper Spezialhaus empfahl sich damals für Nähmaschinen, Fahrräder, Wasch- und Wringmaschinen.
Rechts hinten auf dem Foto sieht man noch eine Stirnseite des damaligen preußischen Postamtes am Beginn der Lüttringhauser Straße, in dem später lange Zeit die Lenneper Polizeistation untergebracht war. Ich kann mich noch gut erinnern, dass ich nach dem Zweiten Weltkrieg -noch ein kleines Kind- von älteren Kameraden dorthin geschickt wurde, um den Fund eines toten Kindes auf dem Grundstück links neben Hagers Gässchen zu melden. Auf diesem Grundstück befand sich vormals die 1858 entstandene Villa Poststraße 5 des Fabrikanten Daniel Hilger, die damals schon der Familie Fritz Hardt gehörte und im Zweiten Weltkrieg bei einem Bombenangriff auf dem Lenneper Bahnhof ausradiert wurde. Übrigens: Der herbeigerufene Polizist, noch mit dem traditionellen Tschako auf dem Kopf, identifizierte die angebliche Kindesleiche glücklicherweise als verdreckte Puppe.
Gegen Ende des Ersten Weltkrieges zogen größere Teile deutscher Truppen auch durch Lennep in ihre Heimat und Standorte zurück, später kamen dann die Franzosen im Jahre 1923 im Zusammenhang der Ruhrbesetzung. Gern übernachteten die Offiziere im beschlagnahmten Hotel "Berliner Hof", manche wurden aber auch in unserem Haus, damals mit der Straßenbezeichnung Poststraße 1, gegen den Willen der Bewohner einquartiert, woran die Kinder später noch gut erinnern konnten. Aus dem Französischunterricht fiel ihnen dabei noch der Eselsbrückenspruch ein: Voulez vous Kartoffelsupp avec verbrannte Klöß? Non, monsieur, je danke vous, je n'ai pas appétit dazu. Die Schwierigkeiten bei der Einquartierung der Franzosen und die Kontakte zu ihnen waren in der Familie noch Jahrzehnte Gesprächsstoff und wurden u.a. in einem privaten Lenneper Erinnerungsbuch festgehalten. Die Deutschen durften damals nur den villenseitigen Bürgersteig der Poststraße benutzen und ihre Abneigung gegen die Franzosen war natürlich groß.
Die heute gezeigten Gebäude an der nordwestlichen Seite des Mollplatzes sind jetzt schon ein halbes Jahrhundert nicht mehr existent, sie wurden im Zusammenhang der Verbreiterung der Lenneper Poststraße, der seit den 1930er Jahren geplanten Umgestaltung des Mollplatzes und der unteren Lüttringhauser Straße in den 1960-er bzw. 1970-er Jahren abgerissen und durch "moderne" Bauten ersetzt. Insgesamt wurde die architektonische Einheit "vor dem Lüttringhauser Tor", entstanden in den 1820-er und 1830-er Jahren, nach dem Zweiten Weltkrieg zerstört, auch ihre Verbindung zum historischen "Speckgürtel der Stadt" vom Kölner Tor über die Poststraße, den Thüringsberg bis zum Schwelmer Tor. Der geschichtliche Verlauf präsentiert sich auch in den veränderten Straßenbezeichnungen und ihren Hausnummern. Das Anwesen auf dem großen Grundstück gegenüber dem Berliner Hof wurde ursprünglich als Poststraße 1 gerechnet und war damit Teil einer Kette von Fabrikantenvillen zum Kölner Tor hin, später firmierte es als Mollplatz 7 und heute als Lüttringhauser Straße 2. Erinnerungen an das alte Lennep vor 50 bzw. 100 Jahren.