von Alma Mühlhausen
In einem kleinen bergischen Ort, der in weltabgeschiedener Ruhe abseits der breiten Autostraße liegt, stehen, nur durch einen Fahrweg getrennt, zwei behäbige Bauernhäuser. Uralt ist der Grundbau der Häuser, die im Wandel der Zeiten durch Anbauten und Garagen etwas modernisiert wurden, trotzdem aber ihr ehrwürdiges Alter nicht verleugnen können.
Zwei Brüder sind es gewesen, die vor über hundert Jahren die Häuser erbauten und mit ihren Familien hier Landwirtschaft betrieben. Immer ist es ein schönes harmonisches Verhältnis gewesen, wenn auch der breite Fahrweg, der zu den Ackern, Wiesen und Feldern führte, zum Hofe des jüngeren Bruders gehörte. Nur der Lindenbaum, der auf dem Besitztum des älteren Bauern, am Brunnen stand, wurde von Jahr zu Jahr immer mehr zum Hindernis des Fahrweges. Breit und wuchtig war die Linde im Laufe der Jahrzehnte emporgewachsen, und ihre Äste griffen hemmend über den Weg, wenn die Erntewagen in den Nachbarhof rollten. Doch die Linde, die wie der Brunnen zum Hofe gehörte und ihm den Namen Lindenhof" gegeben hatte, umzuhauen, fand keiner den Mut. Besonders die Bäuerin schätzte den Lindenbaum sehr, und wenn sie mit selbstbewusstem Schritt, in dem der Stolz über den mustergültig bewirtschafteten Hof mitschwang, den Blick zu dem sich immer kräftiger emporwachsenden Baum hob, wenn sie zum Brunnen ging, fühlte sie sich so recht mit allem verbunden hier.
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