von Alma Mühlhausen
Wer von der Tallandstraße den Blick zur Höhe wirft, sieht zwischen den Wiesen ein Häuschen stehen. Schief und winzig klebt es am Bergabhang, und beim Hinschauen hat man das Gefühl, jeden Augenblick könnte ein Windstoß es hinunterwehen. Doch blank und fröhlich blinken die kleinen Fensteraugen zum nahen Wald herüber, der just zur Herbstzeit in bunten Farben loht.
In dem windschiefen Häuschen wohnte Witwe Wendler, und von hier aus unternahm sie fast täglich ihre Gänge durch den Wald, um Kräuter zu sammeln, die sie an die Apotheken verkaufte. Durch dieses Verdienst konnte sie sich recht und schlecht durchs Leben schlagen. Zudem war die Kräutergret klug, und eine gewisse Bildung war ihr nicht abzusprechen und machte sie weithin beliebt.
Es war Oktober, die Zeit der Preiselbeerenernte. Winterwaldbeeren nannten die Einheimischen die in dem strengen Grün wie rote Korallen schimmernden Früchte. An einer Stelle, von der man das Schloss der Grafen von Berg gut sehen konnte, bemühte sich die Kräutergret, in ihr Körbchen die hier in verschwenderischer Fülle leuchtenden Winterwaldbeeren zu sammeln. Schon war es zur Hälfte gefüllt, als sich die Gret aus ihrer hockenden Stellung erhob und sich mit einer schmerzlichen Gebärde an den Rücken griff. Dann setzte Gret sich auf einen in der Nähe liegenden Baumstamm, um ein wenig zu verschnaufen.
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