von Dr. Wilhelm R. Schmidt
Wenn wir heutzutage die Zeitungen aufschlagen, dann sehen wir öfters Hinweise auf so manchen Lenneper Verein, der eine Geschichte von einhundert Jahren oder noch länger aufweisen kann. Es wäre deshalb sicherlich sehr interessant, einmal eine umfassende Lenneper Vereinsgeschichte zu schreiben. Heute aber soll es speziell um diejenigen historischen Gesellschaften gehen, die sich eher als gesellschaftliche Clubs verstanden haben und die meinten, mit einem Radfahrerverein z.B. oder dem Hahnenverein von Fünfzehnhöfe wenig gemein zu haben, erst recht nicht mit der Vorstellung eines großartigen Ringkampfes mit einem Neger, so 1878 im Saal des F.W. Keil, dem Vorgänger Hermann Windgassens im Kölner Hofs.
Bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gab es ein stark entwickeltes Gesellschaftsleben in der damaligen Kreisstadt Lennep. An Fernsehen, Internet und Spielkonsolen konnte damals noch niemand denken, und so bestand ein großes Bedürfnis nach Geselligkeitenim öffentlichen Raum, vor allem in den Wirtschaften, die damals mehr als heute auch zusätzliche Gesellschaftsräume umfassten. Ganze Generationen hatten Tanzstunde imBerliner Hof und feierten im Garten des Kölner Hofs auf dem Grund des späteren Modernen (Lichtspiel-)Theaters. Da es noch kein Kino gab, nutzte man die größeren Räume mit Bühne ausgiebig für Vorstellungen lokaler und auswärtiger Theatergruppen, für Versammlungen und für Konzerte. Auch Freilichtbühnen gab es, z.B. am Lenneper Stadtgarten, und noch lange nach 1945 gab es Konzerte im Lenneper Hardtpark. Sicherlich wurden Szenen aus Shakespeares Sommernachtstraum aufgeführt, und manchmal der Raub der Sabinerinnen der Wiener Brüder Schönthan. Wie in dieser skurril-tragischen Komödie musste wohl auch in Lennep oftmals das Drehbuch an die defizitären Lokalverhältnisse angepasst werden. Am ehesten wurde die Tradition theatralischer Aufführungen später noch in den großen Schulen und ihren großen Aulen beibehalten. (Dass man nach dem Zweiten Weltkrieg für die Abwicklung der Vorstellung brennbares Heizmaterial mitbringen musste, gehört zu einem anderen Thema.) Ich selbst erinnere mich noch sehr genau an die Schüleraufführungen der 1960er Jahre, als im Lenneper Röntgengymnasium Des Kaisers neue Kleider aufgeführt wurden. Einer meiner Mitschüler war der Kaiser, der mit langen weißen Unterhosen auf der Bühne seine von der Regie geforderte Nacktheit simulierte. Ich selbst probte eine Zeit lang am Sonntagmorgen im Saal des Königs von Preussen am Lenneper Alten Markt; zu einer Aufführung kam es jedoch nie.
Die öffentlichen Aufführungen reichen in Lennep zurück bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts. Ganz anders als heute jedoch versuchte man damals, die Interessenten möglichst nur in der eigenen Gesellschaftsschicht zu finden. Gleich und gleich gesellt sichgern, heißt es das passende Sprichwort, und es versteht sich von selbst, dass sich die Kaufleute und ihre Spitzenkräfte, die man damals Beamte nannte, nicht gern mit den einfachen Handwerkern an einen Tisch setzten. Vielmehr traf sich die sog.Kaufmannsgesellschaft, ein Klub begüterter Familien, lieber in den oberen Räumen des Amtsgerichts am Alten Markt und ließ sich später an der heutigen Bergstraße ein eigenes prunkvolles Gebäude errichten, das spätere Hotel zu Post, sogar mit eigenem großem Weinkeller, denn historischen Berichten zufolge war man sehr trinkfreudig und machte nebenbei bergische Politik.
Natürlich konnte damals nicht jedermann einfach in eine solche Gesellschaft eintreten, sondern es wurde jeweils über neue Mitgliedschaften erst entschieden. So wie dies heute noch in der Freimaurerei vielleicht oder bei den Schlaraffen üblich ist, wurde auch in manchen Lenneper Vereinigungen im 19. Jahrhundert dazu die sog. Ballotage, oder dt.: Kugelung angewendet. In geheimer Abstimmung wurde über die Aufnahme des Aspiranten mit einer weißen bzw. schwarzen Kugel entschieden. Die soziale Zugehörigkeit war dabei in der Regel entscheidender als die persönliche Leistung des Beitrittswilligen.
Natürlich gab es auch politisch ausgerichtete Vereinigungen, neben den konservativen bzw. royalistischen nach und nach immer mehr auch liberale, sozialdemokratische und revolutionäre. Eine Gesellschaft mit der Bezeichnung Das Parlament hatte ihr Lokal zunächst an der Berliner Straße und wechselte dann in das heute nicht mehr existente große Haus gegenüber dem Berliner Hof, das seit den 1830er Jahren als Geschäfts- und Vereinshaus bestand. Die Gesellschaft huldigte wohl den Idealen der bürgerlichen Revolution von 1848 und dem Parlament derFrankfurter Paulskirche. Zum Mollplatz hin hatten die Räume im ersten Stock einen saalmäßigen Charakter mit großen Verbindungsklapptüren der einzelnen Räume. Bei seinem Abriss 1971 fand man im Keller noch Gewölbe vor, die einst als Bierkeller gedient hatten, und es ist bekannt, dass in einem Anbau im Park in Richtung Gartenstraße im frühen 19. Jahrhundert Kegelbahnen bestanden. Im Jahre 1849 scheint diese Gesellschaft erloschen zu sein, denn die damaligen Zeitungen berichten über die Versteigerung ihres gesamten Mobiliars.
Der berühmteste Frankfurter Abgeordnete unserer Region war übrigens Eduard Hülsmann. Im Jahre 1848 vertrat er den Wahlkreis 27, Provinz Rheinland, im Paulskirchen-Parlament. Er hatte evangelische Theologie in Bonn studiert und sich dort der Alten Bonner Burschenschaft angeschlossen. Ab 1837 wirkte er als Prediger, Schulpfleger und Pfarrer in Lennep. Er war sehr beliebt, und um ihn rankt sich so manche Lenneper Geschichte. Als es um seinen Nachfolger ging, entstand der Spruch: Ach, hätten wir doch einen Hülsmann wieder.
Eine weitere Gesellschaft war in Lennep die Zum Roten Ochsen. Sie soll in einer damals gleichnamigen Gaststätte an der unteren Kölner Straße zusammen gekommen sein. Eine Loge zur Bergischen Bruderkette im Orient Lennep residierte ab 1912 im ursprünglich evang. Vereinshaus an der oberen Bahnhofstraße unterhalb des Kaiserhofs, später Zentrale des RWE. (Teile des Geschirrs mit Schriftzug verwahre ich noch heute in meinem Lenneparchiv.)
Bekannter als die bisher genannten Gesellschaften ist im heutigen Lennep sicherlich die Gesellschaft Union. Deren Räumlichkeiten befanden sich an der Kreuzung Kölner Straße/Wupperstraße. Der Lenneper Baumeister Albert Schmidt beschäftigte sich mit ihr seinerzeit in einem Zeitungsartikel, weil er dort in seiner Jugend Mitglied gewesen war, und weil er dem Betreiber des Etablissements, Carl WilhelmVollmer, samt seiner Familie ein Denkmal setzen wollte. Die Gesellschaft wurde am 28. Februar 1829 von Bürgern des Lenneper Mittelstandes gegründet, während die oberen Stände lieber in der Kaufmannsgesellschaft verkehrten. Bis Anfang der 1860er Jahre kamen die Mitglieder im Winter am Alten Markt zusammen, und für den Sommer war an der Wupperstraße zunächst nur ein kleiner Kegelsaal mit Bahn im Garten vorhanden, der allerdings laufend vergrößert und umgestaltet wurde, so dass man dort sehr angenehme Stunden zubringen konnte. Später wurde noch ein Konzertsaal mit Erker für das damalige Freimaurerkränzchen geschaffen.
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